“Rumpelfußball”-Serie Teil 13 – EM 1996 (Vorrunde): Deutschland 0, Italien 0

Durchgekämpft

Nun also das kleine Endspiel gegen Maldini, Casiraghi, den späteren Schalker Di Matteo und Co. Die Auftragslage ist klar: Gegen den Vizeweltmeister mindestens punkten und weiterkommen! Steffen Freund spielt anstelle des gelbgesperrten Babbel, Bobic bekommt seinen zweiten Starteinsatz über Bierhoff, sonst sieht die Elf aus wie gegen Russland. Italiens Coach Arrigo Sacchi, ultimativ cool in ballonseidenem Trainingsanzug, nicht sitzender Käppi und Sonnenbrille, ließ vor dem Turnier Roberto Baggio zu Hause, der einer der Stars des WM-Turniers 1994 war. Es gilt als offenes Geheimnis, dass dies aus einer privaten Animosität zwischen den Beiden resultierte – aus genau jenen persönlichen Gründen beendete Sacchi in den Vorjahren de facto auch die Nationalmannschaftskarrieren von z.B. Gianluca Vialli oder Roberto Mancini.

Aus taktischer Sicht scheint er jedenfalls ordentliche Arbeit zu leisten, denn man merkt sofort in den ersten Minuten, dass dies eine ganz andere Hausnummer ist als die vorherigen Spiele. Deutschland hat im Spielaufbau keinen Platz, schon in der eigenen Hälfte kommen italienische Offensivspieler herangestürmt und stören die Bemühungen. So kommt die erste gute Chance auch von Fuser, dessen Dropkick von Köpke mit einer guten Parade abgewehrt wird. Trotzdem ertönen nach 3 Minuten bereits „ihr könnt nach Hause fahr’n“-Sprechchöre, die deutschen Fans bei dieser EM sind schon sehr unterhaltsam 😀

In der 9. Minute nimmt Casiraghi, der erst Momente vorher Andi Möller brutal umgesenst und dafür zurecht Gelb kassiert hat, Sammer beim angesprochenen Pressing den Ball einfach ab und spurtet allein aufs Tor zu. Köpke rauscht humorlos hinein – Elfmeter, jedoch keine Karte für den Keeper. Den Schuss von Gianfranco Zola pariert Köpke jedoch rechts unten! Im Parallelspiel führt Tschechien indes schon nach 19 Minuten mit 2:0 – das dringt auch ohne Smartphones ins Old Trafford durch, wo Italien nun wohl oder übel gewinnen muss.

Ganz allgemein ist festzustellen, dass im Gegensatz zu einigen Spielberichten die ich im Vorfeld gelesen habe, Deutschland garnicht so schlecht und rein defensiv aufgetreten ist. Der Vorwärtsdrang ist da, mehr noch als bei den Italienern meiner Meinung nach, allerdings sind die Chancen von der Qualität nicht so gut wie auf der Gegenseite. Dies liegt auch an der tollen Abwehrleistung der Squadra Azzura, die in der ersten Halbzeit keinen Schuss auf den Torwart zulassen. Einzig ein Klinsmann-Kopfball nach Möller-Flanke, der knapp neben das Tor geht, beschwört einmal richtig Gefahr. Die guten Abschlüsse und Hereingaben der Italiener werden, zur stetig wachsenden Verzweiflung der Mannen um Roberto Donadoni, allesamt von Andi Köpke vereiltelt. Der 34jährige, welcher für einen Torwart eher klein ist, fliegt kreuz und quer durch den Strafraum und faustet in beeindruckender Manier alles weg.

Nach der Pause geht’s nach dem gleichen Muster weiter, wieder eröffnet Fuser nach Casiraghi-Pass und hämmert den Ball aus dem 16er gnadenlos aufs Tor, wo Köpke eine klasse-Reaktion zeigt und abermals abwehren kann. Nach einer Stunde der Schreck für die DFB-Elf: Es gibt Gelb-Rot für Thomas Strunz. Was für eine Schwächung in diesem Spiel auf Messers Schneide. Die italienischen Offensivbemühungen werden umgehend mehr, die Deutschen werden im Spielaufbau unkonzentrierter und leisten sich (noch) mehr Ballverluste gegen die pressenden Gegner.

Fabrizio Ravanelli, wie Sacchi im wunderbar weiten Spochtanzug gekleideter Juve-Leistungsträger, präsentiert trotz recht jungen Alters wie Viktor Onopko stolz seine haartechnische Alterserscheinung in Form von grauen Haaren. Rooney, Höwedes und Klopp hätten sofort gefärbt! An seiner Stelle bringt der exzentrische Sacchi aber dann doch etwas überraschend Enrico Chiesa als weitere Offensivkraft. Jetzt gilt es für Italien. Die Angriffe häufen sich, doch Köpke und seine Vorderleute machen derweil alles zunichte. In der 86. Minute auf einmal Jubel bei den italienischen Fans – Russland hat das Spiel gegen Tschechien unglaublicherweise gedreht und führt 3:2 – kommen hier doch beide weiter?

In der Nachspielzeit ist die deutsche Elf nurnoch aufs Wegschießen des Balles eingestellt, was den Italienern ungefähr 30.000 Ecken einbringt, die aber allesamt weggefaustet, -gegrätscht oder sonstwas werden. Die erneut laut aufkeimenden „ihr könnt nach Hause fahr’n“-Rufe der krawallbürstigen DFB-Freunde sind Zeugnis für den Ausgleich der Tschechen in der 90. Minute gegen Russland. Mit dem Abpfiff ist damit klar, dass Italien ausgeschieden ist! Deutschland hat sich in dieser Partie, vorallem nach dem Platzverweis, durchgebissen und steht nach dieser enormen kämpferischen Leistung absolut verdient im Viertelfinale. Wie einige der damaligen Spieler nach dem Turnier preisgaben, ein zusammenschweißendes und das Restturnier prägende Spiel.

Deutschland schafft es also als Gruppensieger mit 7 Punkten ins Viertelfinale, während Tschechien wegen des gewonnenen direkten Vergleichs trotz schlechterer Tordifferenz Italien rauskegeln. Russland tritt mit nur einem Punkt die Heimreise an.

Die Viertelfinalpaarungen lauteten England – Spanien, Frankreich – Niederlande, Tschechien – Portugal sowie das im nächsten Rumpelfußball-Teil anstehende Deutschland – Kroatien!